In Watte verpackter Angriff auf die Schweizer Schuldenbremse

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Parlament, Bundesrat und Verwaltung sind Treuhänder (Agents) des Volkes (Principal). Die Treuhänder verpflichten sich mit einer zweckmässigen Organisation, mit einem Effizienz-, Transparenz- und Rechenschaftsauftrag, ausreichend unabhängig beaufsichtigt, ihre Aufgaben im Namen des Principals und Eigentümers wahrzunehmen.

Der Staat wurde in der Schweiz bis noch vor wenigen Jahren mit der „Milchmädchen Rechnung“ geführt[2]. Mit dieser primitiven (kameralen) Rechnungslegung erfolgen keine Perioden Abgrenzungen noch werden Bilanzen oder ein Eigenkapital ermittelt. Zu keinem Zeitpunkt konnte die damalige Führung somit ihrer treuhänderischen Funktion glaubwürdig und faktenbasiert nachkommen noch wurde dem Buchführungsgrundsatz „True und Fair“ genüge getan werden. Zudem wurden mit der kameralen Buchführung ein unterinvestierter Staat und damit eine infrastrukturell unterinvestierte Volkswirtschaft riskiert. Vor diesem rudimentären Informationshintergrund haben sich sodann wegweisend und äusserst vernünftig, Regierung, Parlament und Volk zur verfassungsmässig verankerten „Schuldenbremse“ bekannt. Diese Schuldenbremse besagt im Wesentlichen, auf der primitiven kameralen Logik basierend, dass Ausgaben und Einnahmen sich über die Dauer die Waage halten müssen. Dieses einfache aber sehr zentrale Steuerungselement hat die Schweiz ohne Zweifel vor viel Unbill bewahrt und eine unterinvestierte Wirtschaft, im Unterschied zu anderen westlichen Industrienationen, war zu keinem Zeitpunkt ein Risiko.

Die Schweiz, auf Bundesebene wie auch in der Fläche, hat sich nun die letzten Jahre am Thema der Buchführung[3] stark und sehr positiv bewegt. Sie hat massive Verbesserungen herbeigeführt und ist weiter gegangen, als die meisten anderen Länder. Klare Defizite bestehen derzeit bei der stringenten Ausrichtung und Angleichung von Führungs- und Reportinglogik sowie im konsequenten, profes­sionel­len und legitimierten (konsolidierten) Bilanzmanagement und der Bewirtschaftung und Siche­rung des Eigenkapitals. Obschon es sich bei den bisherigen Massnahmen inhaltlich um Verbes­serun­gen gehandelt hat, dürften diese für die Parlamente (welche ja auch eine treuhänderische Pflicht haben)  und Aufsicht zu einer Herausforderung geworden sein. So einfach ist ein Regimewechsel in keiner Organisation verdaubar, vor allem dann nicht, wenn die Stakeholder nicht integrierter Teil des Prozesses sind.

Nun mit seiner sehr harmlos und sanft daherkommenden Botschaft „Botschaft zur Vereinfachung und Optimierung der Haushaltssteuerung (Änderung des Finanzhaushaltgesetzes)“[4] signalisiert der Bundesrat, dass er die Veränderungen weiter vorantreiben will und nun auch die Finanzierungsrech­nung, analog der Erfolgsrechnung, periodengerecht ausgestatten möchte. Damit verändert er aber, und dies lässt sich nicht schönreden, und dies ist das Entscheidende, die Rechnungsbasis und die Handlungsspielräume für die „Schulden­bremse“ und er erschwert es den Parlamenten bei der Schuldenbremse ihre Mitführungs- und Aufsichtsfunktion wahrzunehmen ebenso wie der Aufsichtsstelle.

 

Zugegeben, die Führung des Bundes ist seit mehreren Jahren im Übergang von einem ungenügenden und äusserst primitiven System in ein solches welches in Reporting und Führung „state oft he art“ sein müsste und welches es allen Beteiligten in Politik und Verwaltung letztlich erlauben sollte, ihrer „Agent“ Rolle glaubwürdig nachzukommen. Der Bundesrat äussert sich aber nicht dazu, per wann und mit welchen Schritten, er diesen Prozess abschliessen und damit den Bund auf ein integriertes Erfolgsrechnungs-, Mittelfluss- UND Bilanzführungssystem umstellen will. Dass es in diesem Kontext dann auch Sinn macht, die Schuldenbremse nicht nur wie bisher mit „Flussgrössen“ sondern rich­tiger­weise auch mit der Bilanz und dem Eigenkapital zu verknüpfen liegt auf der Hand und entspricht den Erfahrungen der gängigen Betriebswirtschaftslehre. Dazu müsste aber wohl die Ver­fas­sung ergänzt werden. Aber auch hierzu äussert sich der Bundesrat nicht. Wäre nun die soeben veröf­fentlichte Botschaft des Bundesrats lediglich ein weiterer Prozessschritt bei der Anpassung und Verbesserung der Führungs­logik und die nächsten logischen Schritte wären klar definiert und vor allem auch absehbar, dann könnte man für das gewählte Vorgehen ja noch Sympathie aufbringen.

 

Aber die nächsten Schritte, insbesondere das Commitment, der Wille und ein Fahrplan, die bilanzielle Führung und die Bewirt­schaftung des Eigenkapitals voranzutreiben und damit auch die Schulden­bremse konzeptionell zu verbreitern, anzupassen und auf eine seriöse und zeitgemässe betriebs­wirtschaftliche Grundlage zu stellen, be­stehen nicht.

Damit stehen die Botschaft und das beabsichtigte Vorgehen des Bundesrats konzeptionell im Leeren und gefährden die Schuldenbremse im wesentlichen Umfang – deren Idee dahinter und deren Wirkungsweise. Der diskre­tio­näre Spielraum insbesondere der Ver­wal­tung wird erhöht, zu Lasten von Parlament und Aufsicht, indem Geschäftsereignisse über mehrere Perio­den verteilt werden können und damit über die gesamthaft nicht bewirtschaftete Bilanz abgebildet werden. Das vorgeschlagene Vorgehen ist damit weder Fisch noch Vogel und ein in Watte verpackter Angriff und eine Aushöhlung der Idee der Schuldenbremse. Es wäre zielführender und konsequent, die nächsten Schritte mit den Stakeholdern zu definieren und bis dahin, die alte Methode ohne Periodenabgrenzung beizubehalten.

[1] https://www.admin.ch/gov/de/start/dokumentation/medienmitteilungen.msg-id-77255.html

[2] Diese Buchführungs – „Logik“ ist auch heute noch weltweit der Standard

[3] Andere Schwachstellen der Corporate Governance werden hier nicht weiter vertieft

[4] https://www.admin.ch/gov/de/start/dokumentation/medienmitteilungen.msg-id-77255.html

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