Die Zürcher Staatsrechnung – Anspruch und Wirklichkeit

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Seit dem Frühjahr 2017 liegt der kantonale Zürcher Geschäftsbericht vor. Ähnlich einem Jahresbericht eines börsenkotierten Unternehmens, wird darin über die finanzielle Entwicklung im Kanton berichtet, eine Erfolgsrechnung und Bilanz ausgewiesen und über Aktivitäten und erreichte Ziele rapportiert. Für die meisten Schweizer Bürger mag dies nichts Besonderes sein. Im internationalen Vergleich jedoch, dies kann nicht genug betont werden, ist dies aber alles andere als selbstverständlich. In kaum einem Land dieser Welt rapportieren Politik und Verwaltung in einem derart detaillierten Ausmaß. Diese Transparenzbestrebung des politischen Tuns hierzulande ist eine namhafte Errungenschaft, die es zu erhalten und auszubauen gilt und um diese uns viele Bürger im nahen und fernen Ausland beneiden. Dennoch aber verbleiben wesentliche Wermutstropfen, an denen noch weiter gearbeitet werden muss.

Im Kern, und dies ist ein großer Unterschied zu anderen Ländern, erfolgt der Staatsaufbau in der Schweiz von unten nach oben. Ein nach wie vor hoher Grad an Föderalismus gepaart mit einer hohen Mitbestimmung ge­währ­leistet eine vergleichsweise weit überdurchschnittliche Mitbestimmung der Bürger auf allen Ebenen. Dieser Genossenschaftsgedanke ist ungebrochen der wohl zentralste Pfeiler unserer Eidgenossenschaft und einer der wohl wichtigsten Erklärungsparameter für unser politisches Tun. In einer Genossenschaft ist der Genossen­schaf­ter aber nicht nur Mitentscheider sondern auch Mitbesitzer. Dieser Besitzanspruch und die Konsequenzen daraus werden in der heutigen politischen Diskussion auch in der Schweiz vernachlässigt. Dies fällt dann auch auf, wenn man sich den Geschäftsbericht des Kantons zu Gemüte führt. Der Adressat desselben scheint der politisch interessierte Leser und der kantonale Parlamentarier zu sein, nicht aber der Eigentümer. Dieser wird nicht erwähnt, seine Besitzanteile sind nicht ausgewiesen und es wird nicht besprochen, wie Politik und Verwaltung gedenken, diesen Besitzanteil so zu pflegen, damit er den heutigen Handlungsspielraum für die Zukunft sichert. Es bestehen auch keine Schutzmechanismen für dieses Eigenkapital, wie sie zum Beispiel aus dem Obligationenrecht für private Firmen seit jeher bestehen und anerkannt sind.

Politiker und Verwaltungsbeamte sind die treuhän­deri­schen Verwalter des Staatsapparates und des damit verbundenen Vermögens. Dazu müssten sie sicherstellen und Ausweis darüber ablegen, dass sie keine un­nö­tigen Erträge generieren, Verpflichtungen eingehen, Vermögen halten oder Kosten produzieren. Aber hierfür ist im Geschäftsbericht nichts vorzufinden. Es liegen keine Vergleiche zum Beispiel mit anderen Kantonen oder anderen Benchmarks vor und es bestehen auch keine quantitativ gut nachvollziehbaren Ziele – dafür aber eine beeindruckende Liste mit qualitativen aber nur schwer fassbaren Zielen.  Man kann sich also als Leser kein Bild darüber machen, ob der Kanton in seinen Direktionen wirtschaftlich denkt und arbeitet oder nicht.

Eigentlich müsste der gutgläubige Bürger davon ausgehen, dass der Geschäftsbericht vollständig ist und die wirtschaftlichen Zusammenhänge korrekt darstellt. Jetzt ist natürlich die Frage, was korrekt im Einzelfall be­deu­tet. Nachdem zu diesen Themen unzählige private und öffentlich-rechtliche Organisationen immer wie­der mit sehr ähnlichen Fragen konfrontiert werden, haben sich hierfür internationale Standards entwickelt. Zur Einhal­tung dieser hat sich der Kanton Zürich gesetzlich verpflichtet, sich aber leider wich­tige Ausnahmen ausbe­dun­gen. Die Konsequenz davon ist, dass wichtige Positionen, vor allem in der Bilanz, welche einen entscheidenden Einfluss auf den Besitzanspruch begründen, gemäß internationalen Richtlinien nicht korrekt erfasst werden. Der Geschäftsbericht des Kantons Zürich ist deshalb (noch) nicht nach dem Grund­satz „True und Fair“ erstellt.

Heute ist es für einen Geschäftsberichtkonsumenten üblich, dass die Verantwortlichen neben Zahlen und Geschäften, die Verbesserung der Zweckmäßigkeit der Organisation und Errungenschaften bei der „Good Governance“ thematisieren. Beim Kanton fallen zum Beispiel viele Spezialkässelis, Stiftungen und Legate auf, die Aufwändig im Unterhalt sind, welche die organisatorische Komplexität erhöhen und ein Miss­brauchs­­potenzial beinhalten. Hierzu und auch zum gesamten Rest der Organisation findet der Leser des kan­tonalen Zürcher Geschäftsberichts jedoch nichts. Man kann nicht beurteilen, ob die Organisation zweck­mäßig ist und ob an dieser verbessert wird.  Auf Fragen wie zum Beispiel: Bestehen angemessene Füh­rungs­span­nen, wird an einer Reduktion der Kompetenzvermischung gearbeitet, bestehen professionelle Kontroll- und Aufsichtsin­stanzen, wird in eine angemessene Qualifikation der Führungskräfte investiert, findet man keine Antwort.

Die Bürger des Kantons dürfen im internationalen Vergleich einen gewissen Stolz auf das Erreichte und auch Dankbarkeit empfinden. Sie dürfen aber nicht aufgeben und den begangenen Pfad der Transparenz und professionellen Führung der Verwaltung konsequent weitergehen, denn, es bleibt noch einiges zu tun.

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